Rhesus-Inkompatibilität

Molekulargenetische Diagnostik des fetalen Rhesus D (RhD)-Status

Die pränatale Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors aus Amnionzellen mittels PCR (Polymerase-Chain-Reaction) kann das Management einer Schwangerschaft mit Rhesus-Inkompatibilität verbessern und verbindet die Vorteile eines geringen Eingriffsrisikos und einer hohen Ergebnissicherheit. Bei Rhesus-negativen Frauen sollte deshalb routinemässig eine Bestimmung des fetalen Rhesus D-Status erfolgen, wenn aus anderen Indikationen eine Amniozentese durchgeführt wird. Aufgrund der Sicherheit der Methode kann im Falle eines Rhesus-negativen Feten der Mutter die Anti-D-Prophylaxe erspart bleiben.

Obwohl die Rhesus-Inkompatibilität durch die Möglichkeit der Prävention (Anti-D-Prophylaxe) viel seltener geworden ist, kommt es nach wie vor zum Auftreten fetaler hämolytischer Erkrankungen, z.B. durch Versagen der Prophylaxe oder pränataler Sensibilisierung. Zur Überwachung einer Schwangerschaft mit Rhesus-Inkompatibilität müssen etliche Eingriffe wie Chordozentesen oder serielle Amniozentesen durchgeführt werden. Bei rh-negativen Schwangeren, deren Partner heterozygot rhD-positiv sind, besteht eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, dass der Fet auch rhD-negativ ist und damit durch vorhandene mütterliche Antikörper nicht gefährdet werden kann. Die Gewinnung fetaler Erythrozyten zur Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors durch eine Chordozentese birgt neben dem erhöhten Eingriffsrisiko auch den Nachteil einer fetomaternalen Transfusion und damit der Zunahme des Risikos der mütterlichen Immunisierung. Die Kenntnis der Organisation des Rhesus-Genlocus bei Rh-positiven und rh-negativen Individuen und die Aufklärung der DNA-Sequenz der RhD- bzw. RhCcEc-Gens ermöglicht es, den Rhesus-Typ aus einer Fruchtwasserprobe bzw. maternalem Blut mittels PCR direkt zu bestimmen.

Methode: Wir verwenden für die Bestimmung des Rhesus-Status eine Kombination von zwei unabhängigen Methoden, welche unterschiedliche Regionen des RhD-Gens untersuchen. Nach der einen Methode (Bennett et al.) werden mittels PCR spezifische Regionen des RhD-Gens und des RhCcEe-Gens in einer „multiplex PCR“ unter Verwendung von 2 verschiedenen Primer-Paaren amplifiziert. Grundlage hierfür sind Unterschiede in der 3`-terminalen Region (Exon 10) des RhD- und RhCcEe-Gens. Nach der zweiten Methode (Rossiter et al.) werden homologe Regionen des RhD- und RhCcEe-Gens amplifiziert, welche sich in einer 600 bp-Deletion im Intron zwischen Exon 4 und Exon 5 unterscheiden.

Perspektiven: In Zusammenarbeit mit dem kooperierendem Labor Adnagen GmbH, Hannover, wird z.Z. eine nicht-invasive Methode zur Bestimmung des fetalen Rhesus-Status evaluiert. Es zeichnet sich ab, dass in naher Zukunft ein nicht-invasiver Test aus mütterlichem Blut für die Routinediagnostik bei allen rh-negativen Müttern zur Verfügung steht, so dass dann auch das Risiko der Amniozentese entfällt

Evaluation: Seltene RhD-Varianten (D-Kategorien), die auf Mutationen und Rekombinatio-nen innerhalb des Gens zurückzuführen sind (8), oder Mosaike, können theoretisch zu Fehl-interpretationen führen. Diese können nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Labor-interne Evaluierung mit bisher über 600 Fällen ergab jedoch übereinstimmend mit anderen Studien (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7) eine hohe Ergebnissicherheit (keine falsch rh-negativen Befunde), wenn die o.g. beiden unabhängigen PCR-Systeme kombiniert werden.

Untersuchungsmaterial: Die Bestimmung kann direkt aus etwa 3 ml klarem Fruchtwasser (Untersuchungdauer 2-3 Tage) oder aus kultivierten Amnionzellen (die Untersuchungsdauer ist dann abhängig von der notwendigen Subkultivierung und beträgt etwa 14 Tage.) erfolgen.

Literatur: (1) Avent et al., 1997, Blood 89: 2568-2577; (2) Bennet et al., 1993, N Engl J Med 329: 607-610; (3) Crombach et al., 1995, Geburtshilfe Frauenheilkd 55: 577-579; (4) Issit, 1996, Vox Sang 70: 26-33; (5) Müller et al., 1997, Beitr Infusionsther Transfusionsmed 34: 210-214; (6) Müller et al., 1996, Beitr Infusionsther Transfusionsmed 33: 1-6; (7) Rossiter et al., 1994, Am. J. Obstet Gynecol 171: 1047-1051; (8) Wagner et al., 1999, Blood 93: 385-393

Müller HW, Dermitzel A, Fischer W, Pruggmayer M. Molekulargenetische
Diagnostik des fetalen RhesusD- (rhD)-Status aus Amnionzellen. 116.Tagung der
Norddeutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Lüneburg, 2000