Am Anfang der Schwangerschaft kümmern sich werdende Mamis und Papis gern um niedliche Strampler, Kinderwagen, die Geburtsvorbereitung. Ans Elterngeld denkt kaum jemand. Das ist ein Fehler. Wer Nachwuchs erwartet und vom Staat eine optimale finanzielle Unterstützung für die Babybetreuung will, muss sich frühzeitig kümmern und planen. Denn rund ums komplexe Thema Elterngeld lauern viele Fallstricke. Ein unbedachter Schachzug, ein wenig Trödeln- und schon geht jungen Familien jede Menge Geld durch die Lappen, wie Markus Deutsch, Steuerberater und Vizepräsident des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg warnt. Schlimmstenfalls gehen sie komplett leer aus. Bescheid wissen ist bares Geld wert. Und schnell handeln, am besten schon vor dem ersten Ultraschallbild des Nachwuchses.
Zum teuersten Fehler kann es kommen, wenn werdende Mütter und Väter blauäugig angesparte Überstunden oder noch vorhandenen Resturlaub für die Elternzeit nehmen. Wer in seiner Urlaubszeit entlohnt wird, dem steht keine zusätzliche Lohnersatzleistung vom Staat in Form von Elterngeld zu, wie das Bundessozialgericht in Kassel noch vor Kurzem entschied (Az. B 10 EG 3/14 R). Elterngeld gibt es nur bei echten Einkommenseinbußen. Erholungsurlaub wird aber bezahlt, das Arbeitsverhält ist nicht wirklich unterbrochen. Die bittere Folge: Die Elterngeldstelle braucht keinen Cent Unterstützung zu zahlen, nicht einmal den Mindestsatz. Nur wer einkommenslose Elternzeit beim Chef beantragt, bekommt die staatliche Unterstützung genehmigt. Sind Urlaubstage im Spiel, ist der Anspruch weg – selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Urlaubsmonate ausdrücklich als „Elternzeit“ bescheinigt. „Wer bei der komplizierten Materie nichts falsch machen will, sollte sich vorher gut informieren“, rät Deutsch.
Vorsicht ist auch bei Nebentätigkeiten in der Elternzeit angebracht. Der Zuverdienst wird ab dem ersten Euro auf die Leistung angerechnet. Es gibt keinen Freibetrag. Oft lohnt dann der Zusatzjob nicht mehr. Aufgepasst: Die maximale Wochenarbeitszeit von 30 Stunden darf nicht überschritten werden, sonst ist der Elterngeldanspruch ebenfalls ganz weg. Leer gehen Paare auch dann aus, wenn ein Elternteil ein Stipendium fürs Ausland erhält und der Partner ihn mitsamt der Familie begleitet.
Dagegen kann es sich lohnen, schon vor der Familiengründung im Zweitjob noch etwas dazuzuverdienen.
Die Höhe des Elterngeldes orientiert sich am durchschnittlichen Nettoeinkommen der letzten zwölf Monate vor der Geburt des Kindes. Der Verdienst aus Neben- und Hauptjob wird zusammengerechnet. Erhält eine werdende Mutter Urlaubs- und Weihnachtsgeld als 13. Und 14. Gehalt, muss auch dieser Lohn beim Elterngeld berücksichtigt werden, wie das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg jetzt entschied (Az. L 17 EG 10/15). Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung haben die Berliner Richter die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Dort muss die Rechtsfrage nun auf höchstrichterlichen Prüfstand (Az. B 10 EG 5/16 R).
Weiterer Fallstrick: Will ein junges Ehepaar das Optimum an Elterngeld beziehen, muss es häufig schon weit vor der Niederkunft auch den richtigen Steuerklasse-Mix haben. Wechselt der Partner mit weniger Gehalt etwa von der V in die III, erhöht er sein Nettoeinkommen und dadurch das spätere Elterngeld.
Doch der Zeitdruck ist hoch. Der Umstieg muss mindestens sieben Monate vor dem Monat passiert sein, in dem der Mutterschutz beginnt, wie Erich Nöll vom Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine (BDL) erläutert. Sonst haben verheiratete Berufstätige, bei denen einer deutlich weniger verdient, dicke finanzielle Nachteile. So früh denkt aber noch kaum jemand an die Steuer.
Die Folge: Wird der Wechsel quasi nach dem ersten Ultraschall verpasst, rechnet die Elterngeldstelle mit der schlechteren Steuerklasse. Die Einbuße könnte viele Tausend Euro ausmachen, sagt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine (NVL). Kommt der Wechsel verspätet, helfen manchmal noch legale Tricks wie der Verzicht auf die Ausklammerung der Mutterschaftsmonate oder auf die sechs Wochen vor der Geburt. Bei Ehepaaren, die beide viel verdienen, zahlt sich ein Wechsel der Steuerklassen in der Regel gar nicht aus.
Grundsätzlich gilt: Das Elterngeld soll einen Teil der Einkommensverluste ausgleichen, die junge Familien oder alleinerziehende haben, wenn das Kind da ist. Dafür gibt es 65 bis 67 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens der letzten zwölf Monate vor der Geburt. Beim Basiselterngeld beträgt die Mindesthöhe 300, die Maximalhöhe 1800 Euro im Monat, und das bis zu 14 Monate lang.
Beim Elterngeld Plus, das es seit Juli 2015 gibt, sind es mindestens 150 und höchstens 900 Euro im Monat. Statt maximal 14 Monate sind bei dieser Option bis zu 28 Monate Unterstützung vom Staat drin, mit einem Extra-Partnerschaftsbonus sogar bis zu 36 Monate. Diese Variante ist für alle interessant, die möglichst lange in Elternzeit gehen, aber zugleich in Teilzeit ins Berufsleben zurückkehren wollen, wie Deutsch erläutert: „Das gilt nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Selbstständige.“ Mehr als maximal 30 Stunden Arbeit pro Woche sind nicht erlaubt – wie beim regulären Elterngeld auch. Wichtig: Wer Elterngeld Plus haben will, muss nicht berufstätig sein. Außerdem lukrativ: Mit diesem Modell dürfen Mütter und Väter ab dem 15.Lebensmonat des Kindes parallel noch das Betreuungsgeld kassieren. Beim Basiselterngeld geht das nicht.
Mussten sich Paare früher schon gut überlegen, wer wie lange zu Hause bleibt, um das Optimum an Unterstützung herauszuholen, ist es seit letztem Sommer noch komplizierter geworden, wie Deutsch erklärt. Seither haben Eltern die Qual der Wahl. Sie können entweder das Basiselterngeld wählen, Elterngeld Plus oder eine Kombination aus beidem. Was im Einzelfall vorteilhafter ist, will gut durchgerechnet sein. Vor allem Selbstständige sollten sich Rat holen. Deutsch betont: Wie hoch das Elterngeld letztlich ausfällt, hänge auch davon ab, ob es den jungen Familien gelungen ist, teure Fehler zu vermeiden.
Von Berrit Gräber ; Die Welt 01.08.2016